Schon im Jahr 2021 habe ich eine Podcast-Folge zu Pregabalin und Gabapentin veröffentlicht. Ich habe damals im Rahmen meiner Suchttherapeutischen Ausbildung meine Praxisstunden in einer stationären Entwöhnungsbehandlung absolviert. Hier war der Konsum von Pregabalin außerhalb ärztlicher Verschreibung häufig Thema. In meiner Tätigkeit in der Drogenberatung hat das Medikament dafür keine Rolle gespielt. Aktuell gibt es zahlreiche Zeitungsberichte, die von vermehrten Todesfällen in Großbritannien berichten, die mit Pregabalin in Verbindung gebracht werden. Dies nutze ich zum Anlass noch einmal in dieses Thema einzutauchen. Falls euch meine Podcast-Folge zu dem Thema interessiert, findet ihr meinen Podcast auch unter diesem Link auf eurer Lieblings-Plattform.

Was ist Pregabalin?

Pregabalin und Gabapentin sind Medikamente, die als Antiepileptikum eingesetzt werden. Pregabalin wird außerdem noch bei neuropathischen Schmerzen und generalisierter Angststörung verwendet. Gabapentin kann auch bei Restless Leg Syndrome wirken. Pregabalin ist dabei potenter als Gabapentin. Als mögliche unerwünschte Wirkung können Schwindel, Müdigkeit, nachlassende Aufmerksamkeit, Magen-Darm Beschwerden, Schlafstörungen, Verwirrtheit, Reizbarkeit etc. auftreten.

Pharmakologische Besonderheit von Pregabalin

Sowohl Gabapentin, als auch Pregabalin ist mit GABA strukturell verwandt. Hier lässt sich zwar vermuten, dass dies auch bedeutet, dass es an den GABA-A oder GABA-B Rezeptoren bindet – dem ist allerdings nicht so! Pregabalin und Gabapentin wirkt, indem es an die alpha2-delta-Untereinheit von spannungsabhängigen Calciumkanälen im Gehirn bindet. Diese Bindung führt dazu, dass weniger Calcium in die Nervenzellen gelangt, was wiederum die Freisetzung verschiedener Botenstoffe reduziert wie z.B. Glutamat, Noradrenalin oder Substanz P. Hiermit unterscheiden sich die Medikamente von herkömmlichen gabaergen Substanzen. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass in diesem besonderen Wirkmechanismus auch die Unsicherheiten bezüglich Abhängigkeitspotenzial und Mischkonsum besteht.

Suchtentwicklung bei Pregabalin

Im Suchttherapeutischer Sicht ist Pregabalin in unterschiedlichen Kontexten relevant. Als ich damals für meine Podcast-Folge recherchiert habe, ist mir aufgefallen, dass zwar das Risiko auf eine Abhängigkeitsentwicklung grundlegend als gering eingeschätzt wurde. Je nachdem wohin man schaut und aus welcher Sichtweise man das Medikament betrachtet, stimmt dies sicher auch. Bei Medikamentenstudien wird in der Regel der Gebrauch betrachtet, der bei einer Behandlung vorgesehen ist. Bei Pregabalin beträgt hier die maximale Tagesdosis 600 mg. Wenn das Medikament nun strikt nach der sorgfältigen Verschreibung eines Arztes eingenommen wird, die Medikation gut begleitet und geprüft wird, kann ich mir gut vorstellen, dass eine Abhängigkeitsentwicklung als moderat einzuschätzen ist.

Allerdings wird Pregabalin auch außerhalb der medizinischen Verordnung konsumiert und darf in diesem Kontext noch einmal gesondert betrachtet werden. Unter Konsumierenden wird Pregabalin aufgrund der sedierenden und euphorisierenden Wirkung, aber auch als Verstärker für andere dämpfenden Substanzen genutzt. Letzteres ist unter anderem auch ein Grund dafür, dass Pregabalin sich häufig als Beikonsum bei einer Substitution finden lässt. Außerdem wird in einschlägigen Foren unter Konsumierenden Pregabalin als “gutes Medikament” empfohlen um zu Hause eigenmächtig einen Entzug von anderen Downern wie Opioide, Benzodiazepine etc. durchzuführen.

Pregabalin führt sowohl zu einer Toleranzentwicklung (die in manchen Studien noch diskutiert wird, allerdings außerhalb von medizinischer Verschreibung stattfindet!) als auch Entzugserscheinungen. Vor allem das Entzugssyndrom wird von vielen Konsumierenden als besonders unangenehm beschrieben im Vergleich zu anderen Downern.

Wie tödlich ist Pregabalin?

Dass aktuell die Aufmerksamkeit auf Pregabalin gerichtet wird, liegt vor allem an den Berichten der gestiegenen Todesfällen, die mit Pregabalin in Verbindung gebracht werden. Die Betonung liegt hier jedoch auf “mit Pregabalin in Verbindung gebracht werden”. Denn kaum einer dieser Tode ist direkt auf Pregabalin zurückzuführen. Diese irreführende Berichterstattung führt häufig dazu, dass einer spezifischen Substanzen ein sehr hohes Schadenspotenzial zugemessen wird, bei genauerer Betrachtung Todesfälle sich häufig jedoch auf Mischkonsum beziehen. Pregabalin ist unter Konsumierenden dafür bekannt, dass es die Wirkung verschiedener dämpfenden Substanzen verstärkt. Leider kann durch die potenzierte Wirkung sich auch das Risiko des Auftretens unerwünschter Wirkungen steigern und im schlimmsten Fall zu lebensbedrohliche Zustände z.B. durch eine Atemdepression führen.

Fazit

Als ich 2021 die Folge aufgenommen habe und Pregabalin noch sehr unter dem Radar der öffentlichen Risikowahrnehmung stand, war ich sehr verwundert welche Abwehrhaltung gegenüber einer möglichen Abhängigkeitsentwicklung mir aus den verschiedenen Papern entgegenkam. Aktuell haben wir das Gegenteil und Pregabalin wird als die nächste “Todes-Droge” verteufelt. Wenn man sich wie ich viel mit psychoaktiven Substanzen beschäftigt, sind extreme Veränderungen in der Wahrnehmungen alltäglich. Eine realistische Einschätzung liegt dabei in der Regel in der Mitte. Pregabalin kann unter Einbezug des Missbrauchspotenzials für spezifische Indikationen sicher ein wertvoller Wirkstoff sein (genau wie Opioide, Benzodiazepine etc.!), aber auch uns innerhalb des Suchthilfesystems immer mal wieder begegnen.


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