Das Frankfurter Bahnhofsviertel ist ein Ort der Kontraste. Während das Viertel Touristen und partywütige Frankfurter:innen anzieht, befindet sich hier auch die größte offene Drogenszene Deutschlands (wenn wir mal von legalen Drogenszenen wie das Oktoberfest absehen). Dass in einer deutschen Großstadt im öffentlichen Raum der Konsum illegalisierter Substanzen in diesem Maße geduldet wird, stößt bei Vielen auf Irritation. Oft wird dies mit einem städtischen Versagen gleichgesetzt – aber ist dem wirklich so? In dieser Podcastfolge spreche ich mit zwei spannenden Gästen, die ihren Arbeitsmittelpunkt im Frankfurter Bahnhofsviertel haben, um genau diese Frage zu beantworten. Höre dir die Folge einfach unter diesem Link auf deinem Lieblingsplayer an.
Was bedeutet “offene Drogenszene”?
First things first: was genau ist eigentliche eine offene Drogenszene? Diese Frage ist gar nicht so einfach zu beantworten, denn wie schon in der Einleitung erwähnt, kann man eigentlich nicht mehr behaupten, dass Frankfurt eine besonders große offene Drogenszene hat, wenn man legale Substanzen mit einbezieht. Auf Volksfesten wird in der Regel hohe Mengen an Alkohol konsumiert – das Oktoberfest sticht hier besonders hervor. Aufgrund des Massenandrangs und des hohen Alkoholkonsums kommt es in München zu Zeiten des Oktoberfests zu einem städtischen Ausnahmezustand. Aber auch auf Raves und Festivals werden legale und teilweise illegalisierte Substanzen öffentlich konsumiert. Da der Konsum in diesen Fällen jedoch in einem gesellschaftlich akzeptierten Rahmen stattfindet (“Auf Feiern darf konsumiert werden!”), ist hier natürlich auch die Akzeptanz höher. Im Frankfurter Bahnhofsviertel findet der Konsum im öffentlichen Raum statt und ist häufig mit prekären Lebensumständen wie Obdachlosigkeit, Armut und schlechten gesundheitliche Zuständen verbunden. Hier gilt es sich also zu hinterfragen, wo hier wirklich der Fokus liegt: auf dem Drogenkonsum oder der allgemeine prekäre Zustand?
Der Frankfurter Weg – ein akzeptierender drogenpolitischer Ansatz
Anstatt dem öffentlichen Drogenkonsum mit reiner Repression zu begegnen und damit das Leid vieler Drogenkonsuemnt:innen zu verschärfen, setzt Frankfurt schon seit Beginn der 1990er auf einen pragmatischen und akzeptierenden drogenpolitischen Ansatz. Sich von der reinen Strafverfolgung zu lösen und einen “Harm Minimisation”-Ansatz zu verfolgen, war damals ein neuartiges Vorgehen. Bis heute gilt es in Frankfurt eine Balance zwischen Repression und Schadensminimierung zu finden. Dafür wird vor allem auf einen ganzheitlichen Austausch von Justiz, Polizei, Drogenhilfe, Jugend- und Sozialamt etc. gesetzt. Laut öffentlicher Berichtserstattung geht dies jedoch vielen nicht weit genug. Es werden Stimmen laut, dass Frankfurt sich nicht wirklich um die Situation im Bahnhofsviertel kümmert. Doch ist dem wirklich so?
Tut Frankfurt wirklich Nichts?
Der Erfolg von niedrigschwelligen und schadensminimierenden Ansätzen sind für eine breite Öffentlichkeit häufig nicht sichtbar. Wenn eine Person aufgrund der Hilfe befähigt wird ihre Wunden regelmäßig zu versorgen, so dass sie sich nicht entzünden oder eine andere Person es schafft nur noch im Konsumraum zu konsumieren und aufgrund von sauberen Konsumbesteck ein geringeres Gesundheitsrisiko eingeht, sind das Erfolge von niedrigschwelligen Hilfsangeboten, die Menschen außerhalb dieses Arbeitskontext häufig nicht als solche werten. Hier wird Therapie oder eine häusliche Unterbringung gefordert und es fehlt ein Verständnis, dass Menschen in prekären Lebenslagen, die in den meisten Fällen auch mit schweren psychischen Erkrankungen neben ihrer Abhängigkeitserkrankung konfrontiert sind, nicht einfach mal so ihr komplettes Leben umkrempeln können.
Fazit
Wenn die offene Drogenszene im Frankfurter Bahnhofsviertel plötzlich Verschwinden würde, wäre dies kein Erfolg einer humanistischen Drogenpolitik, sondern eher ein Ergebnis von starker Repression, aktiven Wegschauen und Ignoranz. Das Leid der Menschen würde dadurch in die Unsichtbarkeit gerückt und Hilfen wären schwerer zu platzieren. Nur weil offene Drogenszenen in manchen Städten nicht geduldet werden, heißt es nicht, dass ähnliche prekäre Zustände nicht statt finden. Mehr Informationen zu diesem Thema findet ihr in der gleichnamigen Podcastfolge. Hier spreche ich mit Sophie Hanack, Leitung des Drogenhilfezentrums La Strada, und Andreas Henke, Leitung des Streetworkprojekts OSSIP über ihren Arbeitsalltag und ihre Sicht auf die Situation des Bahnhofsviertels.
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