Im Jahr 2023 wurden 460 kg Captagon in Deutschland sichergestellt. Dies entspricht einem Verkaufswert von ca. 60 Millionen Euro. Doch was ist eigentlich Captagon? Diese Verkaufsart von Amphetamin ist in Europa nicht verbreitet und trotzdem werden aktuell Rekord-Drogenfunde aufgestellt. Die Hintergründe wollen wir uns im Psychoaktiv-Podcast anschauen. Ausführliche Informationen findet ihr wie immer in der Podcast-Folge. Diese könnt ihr unter diesem Link auf eurem Lieblingsplayer hören.
Was ist Captagon?
Captagon ist ursprünglich ein Markenname für die Stimulans Fenethyllin, das in den 1960er Jahren von der westdeutschen Pharmafirma Degussa AG entwickelt wurde. Es wurde zur Behandlung von ADHS und Narkolepsie eingesetzt. Seit den 1980er Jahren ist die Herstellung und der Gebrauch in vielen Ländern, darunter auch die USA, verboten aufgrund der hohen Suchtgefahr und der erheblichen gesundheitlichen Risiken.
Heute enthält Captagon meist kein Fenethyllin mehr, sondern unterschiedliche Amphetamine wie Amphetamin (Speed) und Methamphetamin (Crystal). Die Tabletten mit zwei sich spiegelnden „C“ darauf können allerdings auch Ephedrin, Koffein oder andere Substanzen enthalten. Die erwünschten Wirkungen von Captagon sind gesteigerte Energie, Euphorie und eine verringerte Notwendigkeit zu schlafen. Unerwünschte Wirkungen sind Herzrasen, Bluthochdruck, Depressionen, Psychosen und Herzinfarkte.
Wer konsumiert Captagon?
Captagon ist besonders beliebt in den Golfstaaten, allen voran Saudi-Arabien, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate. 40% der saudiarabischen Drogenkonsumenten nutzen Captagon, meist im Partykontext. Dabei handelt es sich vor allem um Männer zwischen 12-22 Jahren. Ein möglicher Grund für die Popularität könnte die konservative Gesellschaft sein, die kaum legale Drogen aufgrund des Alkoholverbots bietet. Ein weiteres Motiv ist das überdurchschnittliche Einkommen und Leistungsdruck in diesen Ländern.
Wer stellt Captagon her?
Ursprünglich war Captagon in Südosteuropa verbreitet, insbesondere in Bulgarien, Slowenien und Serbien, und wurde von dort aus über die Türkei in die Golfstaaten geschmuggelt. Heute ist die Produktion fast ausschließlich in Syrien konzentriert, was maßgeblich der Hisbollah zugeschrieben wird. Syrien bietet mehrere Vorteile für die Produktion: ein ausgebautes Straßennetz, gute Hafenanbindungen, eine stabile Stromversorgung und eine hochentwickelte pharmazeutische Industrie.
Die Probleme als Transitland – Beispiel Jordanien
Jordanien hat erhebliche Probleme als Transitland für den Captagon-Schmuggel. Aufgrund seiner guten Infrastruktur und der hohen Arbeitslosenrate (etwa 30%) ist es attraktiv für Schmuggler. 2022 wurden an der syrisch-jordanischen Grenze 20 Millionen Captagon-Tabletten abgefangen. Jordanien hat eine „Shoot-to-kill“-Politik gegenüber Drogenschmugglern an seiner Grenze zu Syrien eingeführt, was zum Tod von 35 mutmaßlichen Schmugglern führte.
Inzwischen etabliert sich allerdings Captagon auch in Jordanien selbst. Man geht davon aus, dass ein Fünftel der durch Jordanien geschmuggelten Drogen im Inland konsumiert wird, besonders von Fernfahrern, Stadtbusfahrern, Taxifahrern und Studenten, die die Droge nutzen, um länger wach und leistungsfähig zu bleiben.
Warum jetzt die Funde in Deutschland?
Nun wissen wir, was hinter Captagon steckt und dass es hauptsächlich in Syrien produziert wird. Warum also die hohen Captagon-Funde in Deutschland? Man konnte feststellen, dass die Schmuggelroute immer häufiger über Europa führt, da die Zollbehörden am Golf strenger bei Exporten aus dem Libanon und Syrien kontrollieren. Eine Schmuggelroute über Europa soll die Ware besser tarnen. Aktuell ist der Konsum von Captagon in Deutschland nicht relevant, aber auch das könnte sich ändern, da die Verantwortlichen sicher nichts gegen die Erschließung neuer Märkte hat.
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Quellen:
Captagon: use and trade in the Middle East – PubMed (nih.gov)
Captagon im Wert von 60 Millionen Euro gefunden | tagesschau.de
Mächtige Hintermänner: Spektakulärer Drogenprozess in Regensburg | BR24
Lebanon charges Saudi prince with drug smuggling – BBC News
Droge Captagon: Größtes Labor Deutschlands in Ostbayern entdeckt | BR24