Home » Psychoaktives Magazin » Suchttherapie » Rückfälle verstehen – warum sind sie Teil der Sucht?

Das wichtigste in Kürze

✓ Rückfälle und Vorfälle sind ein normaler Teil der Suchterkrankung. Dementsprechend ist es wichtig, offen über diese zu reden.

✓ Ein Vorfall bedeutet einmaligen Konsum mit anschließender Rückkehr zur Abstinenz. Ein Rückfall dagegen führt zurück in alte Muster.

✓ Rückfallprophylaxe hilft: Wer Risikosituationen kennt, Notfallpläne hat und offen darüber spricht, kann Rückfälle bewältigen und gestärkt daraus hervorgehen.

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Inhalt


Warum sollte man über Rückfälle in der Suchttherapie sprechen?

Lange Zeit galten Rückfälle in der Suchtbehandlung als Tabu. Wer nach einer Therapie wieder konsumierte, wurde oft als „gescheitert“ betrachtet, manchmal bedeutete das sogar den Abbruch einer Reha. Inzwischen weiß man, dass Rückfälle zur Erkrankung dazugehören. Sie sind kein moralisches Versagen oder gar ein Zeichen von Schwäche, sondern Ausdruck der Dynamik einer Sucht. Wenn man über Rückfälle spricht, schafft man Raum für Vorbereitung und für Strategien, wie man mit ihnen umgehen kann.


Was ist der Unterschied zwischen Vorfall, Rückfall und schleichendem Rückfall?

Nicht jeder Konsum nach einer Abstinenzentscheidung ist gleich ein Rückfall. Fachlich wird unterschieden: Ein Vorfall liegt dann vor, wenn jemand konsumiert, die erlernten Strategien anwendet und anschließend wieder abstinent wird. Ein Rückfall hingegen bedeutet die Rückkehr in alte Konsummuster, also den Schritt zurück in ein Leben, das wieder vom Konsum bestimmt wird.
Besonders heimtückisch ist der sogenannte schleichende Rückfall. Dabei handelt es sich nicht um ein einzelnes Ereignis, sondern um viele kleine Vorfälle, die zunächst harmlos wirken. Nach und nach werden diese Bagatellisierungen jedoch zu einem Muster, das in einen echten Rückfall führt.


Wie kommt es zu einem Rückfall?

Das Rückfallmodell nach Marlatt hilft, Rückfälle besser zu verstehen. Es zeigt, dass sie fast nie „aus dem Nichts“ kommen, sondern aufeinander aufbauenden Prozessen folgen. Am Anfang steht oft ein unausgeglichener Lebensstil. Das eigene Leben fühlt sich fremdbestimmt an, Pflichten überwiegen, und es bleibt wenig Raum für das, was man wirklich möchte. Aus diesem Ungleichgewicht heraus entsteht der Wunsch nach Entlastung.

Dieser Wunsch kann sich in Suchtdruck verwandeln. Zunächst ist er manchmal leise, fast unbemerkt, doch er wächst. Dann setzen häufig Rationalisierungen ein: Handlungen, die vordergründig nichts mit Konsum zu tun haben, aber in Wahrheit eine Risikosituation vorbereiten. Ein Beispiel: Man sucht den Kontakt zu einem alten Bekannten, der früher auch der Dealer war, mit der Begründung, „man wolle ja nur mal wieder plaudern oder ein Videospiel spielen“. Auf diese Weise gelangt man in Situationen, die den Konsum greifbar machen.

Kommt es dann zur Konfrontation mit der Substanz, stehen spontan oft keine Bewältigungsstrategien bereit. Das Gefühl von Selbstwirksamkeit sinkt, während gleichzeitig die Erwartung wächst, dass Konsum jetzt eine schnelle Lösung bietet. Der erste Konsum wirkt kurzfristig entlastend – und genau das verstärkt die Gefahr, dass er sich wiederholt. So wird aus einer Kette von Schritten, die für sich genommen noch kein Rückfall sind, schließlich doch ein Rückfall. Das Modell macht deutlich: Rückfälle sind Prozesse, keine plötzlichen Einbrüche.


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Wie kann Rückfallprophylaxe helfen, mit Risiken umzugehen?

Aus diesem Verständnis heraus ist Rückfallprophylaxe ein zentraler Bestandteil moderner Suchttherapie. Sie bedeutet nicht nur, Rückfälle zu vermeiden, sondern auch den Umgang mit ihnen zu erlernen. Denn entscheidend ist nicht allein, ob ein Rückfall passiert, sondern wie man darauf reagiert.

In der Rückfallprophylaxe geht es zunächst darum, Risikosituationen zu erkennen. Das können bestimmte Orte, Menschen oder auch Gefühle sein. Wer weiß, wo die eigenen Gefahrenstellen liegen, kann rechtzeitig Strategien entwickeln. Ebenso wichtig ist es, die eigenen Notfallpläne im Vorfeld festzulegen: Was tue ich, wenn der Druck besonders groß wird? Wen kann ich anrufen, wohin kann ich mich wenden? Allein das Wissen um diese Handlungsoptionen kann in einer kritischen Situation den Unterschied machen.

Ein weiterer Bestandteil ist die Arbeit an der eigenen Haltung. Rückfälle dürfen nicht als endgültiges Scheitern betrachtet werden. Wer gelernt hat, einen Rückfall offen anzusprechen und ihn therapeutisch aufzuarbeiten, kann daraus wichtige Erkenntnisse gewinnen. Viele Menschen berichten, dass sie gerade durch die Auseinandersetzung mit einem Rückfall resilienter geworden sind und neue Motivation geschöpft haben.

Rückfallprophylaxe bedeutet deshalb, nicht auf die Illusion einer linearen Abstinenz zu setzen, sondern realistisch mit den Möglichkeiten und Risiken der eigenen Situation umzugehen. Sie schafft Sicherheit, weil sie aus einem „unvorhersehbaren Absturz“ einen Prozess macht, den man verstehen und aktiv beeinflussen kann.

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