Das Wichtigste in Kürze

✓ Ketamin ist ein dissoziatives Anästhetikum, das in der Medizin als Narkosemittel und in der Psychiatrie als Antidepressivum eingesetzt wird.

✓ Je nach Dosis hat Ketamin eine unterschiedliche Wirkung: In niedrigen Mengen leicht berauschend, in mittleren dissoziativ und in hohen Dosen kann es zu völliger Ich-Auflösung (K-Hole) führen.

✓ Langzeitkonsum kann gesundheitliche Risiken mit sich bringen, darunter Blasenschäden (Ketamin-induzierte Uropathie) und möglicherweise neurotoxische Effekte.

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Die Geschichte von Ketamin

Ketamin wurde ursprünglich als Narkosemittel entwickelt und fand schnell Anwendung in der Notfallmedizin. Seine Geschichte beginnt mit der Suche nach einer Alternative zu Phencyclidin (PCP), das 1926 in den USA von Parke-Davis synthetisiert wurde. PCP erwies sich zwar als starkes Anästhetikum, zeigte in der Anwendung jedoch starke Nebenwirkungen, darunter Psychosen und postnarkotisches Delirium. Anfang der 1960er-Jahre entdeckte der Chemiker Calvin Stevens dann Ketamin, das eine kürzere Wirkdauer hatte und besser steuerbar war. 1970 erhielt es in den USA die Zulassung als Anästhetikum und wurde bald weltweit in der Medizin eingesetzt. Besonders geschätzt wurde es im Vietnamkrieg, da es im Gegensatz zu vielen anderen Narkosemitteln keine Atemdepression verursachte und sich daher für Notfalleinsätze ohne Beatmungsgeräte eignete.

Außerhalb der Medizin fand Ketamin in den 1980er seinen Weg in den Freizeitkonsum. Zuerst in den USA und Großbritannien, später weltweit. In Hongkong war es in den 2000er die meistgenutzte psychoaktive Substanz! Auch heute ist Ketamin noch verbreitet in der Feier- und Raveszene.


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Welche Wirkung hat Ketamin?

Der Effekt von Ketamin ist sowohl abhängig von der Dosis, der Konsumform und dem Set und Setting.

In niedrigen Dosen erzeugt es vor allem eine leicht berauschende und stimmungsaufhellende Wirkung. Es kommt zu Euphorie, Entspannung und einer veränderten Wahrnehmung von Raum und Klang. Es kann sich anfühlen wie eine Art „psychedelisches Betrunkensein“, wobei die Schmerzempfindung verringert ist und das Körpergefühl sich verändert. Diese Wirkungen machen Ketamin besonders in der Partyszene attraktiv, wo es häufig in kleinen Mengen geschnupft wird.

Mit steigender Dosis werden die dissoziativen Effekte deutlicher. In mittleren Mengen kann Ketamin dazu führen, dass Konsument:innen sich vom eigenen Körper losgelöst fühlen oder eine veränderte Zeitwahrnehmung erleben. Bewegungen wirken schwerfälliger, Gedankenströme können abgehoben oder ungewöhnlich erscheinen. Manche Menschen berichten von einem Gefühl des Schwebens oder einem Tunnelblick, während gleichzeitig die Außenwelt unwirklich erscheinen kann. Kommunikation wird schwieriger, da Sprache verlangsamt oder undeutlich wirkt.

In hohen Dosen kann Ketamin schließlich in den sogenannten K-Hole-Zustand übergehen. Dieser extreme dissoziative Zustand ist durch das Gefühl völliger Körperlosigkeit und tiefgreifende Veränderungen des Bewusstseins geprägt. Viele Konsumierende erleben in diesem Stadium außerkörperliche Erfahrungen oder intensive Halluzinationen, während der eigene Körper kaum noch spürbar ist. Bewegungen sind oft nicht mehr möglich, und manche berichten von einer vollständigen Ich-Auflösung. Während dieser Zustand in therapeutischen Kontexten gezielt genutzt wird, kann er ohne Vorbereitung oder in ungeeigneten Umgebungen als verstörend empfunden werden.


Was ist der Unterschied zwischen S-Ketamin und R-Ketamin?

Bei Ketamin unterscheidet man zwischen S-Ketamin und R-Ketamin. Chemisch gesehen handelt es sich um zwei Enantiomere, also spiegelbildliche Versionen desselben Moleküls. In der Medizin wird häufig S-Ketamin bevorzugt, da es eine höhere Potenz aufweist und stärker an die NMDA-Rezeptoren bindet. Es wird oft als „sanfter“ beschrieben, da es eine stärkere analgetische und antidepressive Wirkung haben soll und dabei als weniger psychedelisch gilt. R-Ketamin hingegen zeigt in ersten Studien eine möglicherweise längere antidepressive Wirkung, wird aber weniger häufig verwendet, da es nicht die gleiche Zulassung wie S-Ketamin besitzt. Dennoch bleibt Ketamin in seiner Gesamtheit eine Substanz mit vielseitigem Wirkprofil, die sowohl therapeutisches Potenzial als auch Risiken birgt.


Unerwünschte Wirkungen von Ketamin

Kurzfristig können motorische Beeinträchtigungen, Übelkeit, Halluzinationen und Veränderungen in der Wahrnehmung auftreten. Bei anhaltenden Konsum kann es zu Schäden an der Blase und Nieren führen. Die sogenannte Ketamin-induzierte Uropathie verursacht chronische Entzündungen, Schmerzen beim Wasserlassen und in schweren Fällen irreversible Gewebeschäden. Bei chronischem und hochdosiertem Konsum gibt es Hinweise auf eine mögliche Neurodegeneration, insbesondere im Frontalhirn. Dabei könnte es zu Beeinträchtigungen der Konzentration, Gedächtnisleistung, Entscheidungsfindung und Impulskontrolle sowie zu Persönlichkeitsveränderungen kommen.


Mischkonsum: Gefährliche Kombinationen mit Ketamin

Die Kombination mit Alkohol oder Benzodiazepinen kann die dämpfende Wirkung verstärken und zu lebensbedrohlichen Zuständen führen. Auch Opioide sollten nicht mit Ketamin kombiniert werden, da sich die atemdepressive Wirkung der Substanzen potenziert. Eine weitere häufige Kombination ist die mit Kokain, auch bekannt als „Keksen“ oder „Ketakola“. Hierbei hebt das eine Stimulans die betäubenden Effekte des Ketamins teilweise auf, was zu einer unkontrollierten Dosissteigerung und erhöhter körperlicher Belastung führt.


Ketamin als Antidepressivum und augmentierte Psychotherapie

Neben seinem Einsatz in der Notfallmedizin und Anästhesie wird Ketamin zunehmend in der psychiatrischen Behandlung erforscht. Seit einigen Jahren gibt es Studien, die die Wirksamkeit von Ketamin als Antidepressivum untersuchen. Besonders bei therapieresistenten Depressionen zeigt sich eine schnelle, wenn auch nicht langanhaltende Wirkung. Esketamin, die S-Form des Moleküls, wurde als Nasenspray zugelassen, jedoch nur in Kombination mit einer Basistherapie mit Antidepressiva. In speziellen Kliniken wird Ketamin auch in der sogenannten augmentierten Psychotherapie eingesetzt. Dabei dient es als Unterstützung für tiefgehende psychotherapeutische Prozesse, indem es den Zugang zu verdrängten Emotionen und Traumata erleichtert. Diese Methode wird streng kontrolliert und nur in einem therapeutischen Setting angewandt, um das Risiko einer Fehlanwendung oder Abhängigkeit zu minimieren.


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