Maxim (K.I.Z) steht auf der Bühne und setzt an für eine kleine Rede zwischen zwei Songs. Stolz kündigt er an, dass er nun schon seit einem Jahre nüchtern sei und keinen Alkohol mehr anfasst und dankt seiner Familie, Freunde und Fans für den Support in dieser Zeit.
“Wie vielleicht manche Leute wissen, habe ich ein massives Alkohol-Problem! Und ich habe gute Neuigkeiten: ich bin seit einem Jahr trocken!”- Maxim, Highfield 2023
Bis zu diesem Teil seiner Schilderung war ich echt ein wenig beeindruckt. Ein solches Statement hatte ich nicht erwartet… Was soll ich sagen, ich kann manchmal sehr naiv sein.
Denn im nächsten Moment änderte sich die Stimmung und auch seine Stimme schlagartig. Ein Jahre sei eine verdammt lange Zeit und die könne jetzt auch wieder zu Ende gehen. Er nimmt die Champagner-Flasche, entkorkt sie und trinkt einen kräftigen Schluck. Die Menge grölt und jubelt und ich stehe da und denke mir “WTF?!”.
“Und jetzt wo ich endlich mein Ziel erreicht habe, endlich trocken zu sein, da wäre doch das Highfield ein guter Moment sich zu belohnen”
Ihr findet die Situation übrigens unter diesem Link ab Minute 26: HIGHFIELD 2023 | K.I.Z (youtube.com)
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Das war auf dem High Field Festival 2023 und seit dem ist mir diese Szene nicht mehr aus dem Kopf gegangen. Ich höre K.I.Z schon seit über 15 Jahren, ich habe mich auf das Konzert gefreut und von dieser Situation mal abgesehen, hatte ich auch eine sehr gute Zeit. Doch dieser Teil des Auftritts lässt mich nicht wirklich los und bis heute frage ich mich – wie weit darf Satire gehen?
Das Thema der damaligen Tour war “VIP in der Psychiatrie”, K.I.Z traten in Zwangsjacken auf und auch der Merch war an dieses Thema angelehnt. Wir müssen an dieser Stelle wahrscheinlich nicht darüber reden, dass allein das schon grenzwertig ist. Das spielen mit Tabus und das bewusste rappen unter der Gürtellinie ist bei K.I.Z seit jeher Programm. Darüber soll es in diesem Artikel nicht gehen. Wer die Musik mag, weiß auch auf was er sich während eines Konzerts einlässt.
Wie weit darf Satire gehen?
Doch während dieser Rede habe ich mich gefragt, ob das nicht ein Schritt zu weit geht. Denn für mich ist es eine Sache über was man rappt, davon kann man sich noch einfacher inhaltlich distanzieren. Eine komplett andere jedoch, wenn man einem eventuellen Idol auf der Bühne dabei zuschaut, wie er die Abstinenz in den Wind schießt und genüsslich eine Flasche Champagner trinkt.
Ich kann mir gut vorstellen, dass diejenigen im Publikum, die sich zwar für eine Nüchternheit entschieden haben, jedoch mit diesem Entschluss noch hadern, in diesem Moment wirklich keine gute Zeit hatten. Es würde mich auch nicht wundern, wenn aufgrund dieser Vorstellung manche von ihnen über eine Grenze geschoben wurden und sich an diesem Abend doch wieder für einen Konsum entschieden haben.
Festival – ein guter Ort um die Alkohol-Abstinenz zu stabilisieren?
Doch was kann man als Betroffener aus dieser Situation für eine Lehre ziehen? Gute Frage (habe ich ja auch selbst gestellt :P) und schwierig darauf eine Antwort zu finden.
Man könnte natürlich an dieser Stelle argumentieren, dass ein Festival für jemanden, der sich gerade an eine Nüchternheit gewöhnt, kein geeigneter Ort ist um seine Abstinenz zu stabilisieren. Übermäßiger Alkoholkonsum steht dort ja schließlich auf der Tagesordnung und vor allem am Anfang macht es Sinn, sich in einem Umfeld zu bewegen, wo es einem vermeintlich einfacher fällt nüchtern zu bleiben (Kleines Rückfallprophylaxe Einmaleins).
Ich persönlich würde allerdings dem Wunsch eines Klienten ein Festival zu besuchen erst einmal unvoreingenommen gegenüber stehen. Ob er sich dafür stabil genug fühlt, welche Vorkehrungen dafür getroffen werden müssen etc. können innerhalb der Suchttherapie gezielt abgeklopft werden. Auf Grundlage dessen kann der Klient für sich dann eine bewusste Entscheidung treffen.
Konfrontation mit Risikosituationen in der Rückfallprophylaxe
Für mich ist die Moral der Geschichte eher, dass es für mich Mal wieder verdeutlicht, dass ein wichtiger Teil einer guten Rückfallprophylaxe die Konfrontation mit Situationen beinhaltet, die starkes Verlangen hervorrufen können. Denn sich aus so einer Situation erfolgreich herausziehen zu können, braucht eine gute Portion Selbstwirksamkeitserfahrung, dass man mit einem starken Verlangen umgehen kann. Ein Notfallkoffer und eine gut geübte Skill-Kette kann dabei sicherlich auch nicht schaden.
Und was ist meine Konsequenz für K.I.Z?
Den vollständigen Kapitel findest du hier!