Das Wichtigste in Kürze
✓ Social Media Plattformen wie TikTok und Instagram sind gezielt so gestaltet, dass man möglich lange auf der Plattform verweilt.
✓ Im Gehirn sorgt Social Media für kleine Dopaminkicks – besonders, wenn Likes oder interessante Inhalte unerwartet kommen. Das kann zu automatisierten Nutzungsmustern führen.
✓ Sucht beginnt nicht bei der Nutzungsdauer, sondern bei Kontrollverlust, Priorisierung und negativer Auswirkung.
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Warum mögen wir Social Media?
Seit Mitte der 90er ist das Internet öffentlich nutzbar und fast sofort wurde eine Möglichkeit geschaffen, dieses auch für soziale Interaktion zu nutzen. Das erste soziale Medium war wohl SixDegrees, das schon 1997 verfügbar war. Gefolgt von Friendster, MySpace, LinkedIn und schließlich 2003 Facebook. Als Mensch sind wir soziale Wesen und das Internet hat uns neue Möglichkeiten gegeben mit unseren Liebsten auch über weitere Entfernung im Kontakt zu bleiben. Mit der Weiterentwicklung von Facebook, der Veröffentlichung von Instagram 2010 und TikTok 2016 sind soziale Medien allerdings nicht nur eine Form des sozialen Austausches, sondern auch des Selbstausdrucks, der Kreativität, Entertainment und Informationsquelle. Für viele sind diese Apps aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Die Frage, die sich unsere Gesellschaft dadurch jedoch immer häufiger stellt: Wie viel ist zu viel? Tut es uns gut, wenn ein großer Teil unserer sozialen Interaktion nur noch online stattfindet? Und ab wann hat es krankhaften Charakter, wenn man die ganze Zeit an seinem Handybildschirm klebt?
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Warum bleiben wir an Soziale Medien hängen?
Wahrscheinlich kennen das viele: man möchte nur mal ganz kurz eine WhatsApp Nachricht lesen, wie automatisch landet man auf Instagram und ehe man sich versieht, hat man 20 Minuten lang Instagram-Reels (Kurzvideos) gescrollt. Wie kann das sein? Plattformen wie TikTok sind so designt, dass man kaum noch aufhören kann. Es fehlen natürliche ‘Stopping Cues’. Das bedeutet, dass es kein natürliches Ende gibt. Verglichen mit einem Film oder einer Zeitung ist der Inhalt eben dann zu Ende, wenn man die Zeitung fertig gelesen oder den Film zu Ende geschaut hat. Bei Instagram und TikTok ist das anders. Inhalte werden endlos geladen, und durch unser Nutzungsverhalten lernt der Algorithmus genau, was uns fesselt. Social Media aktiviert dabei unser Belohnungssystem – besonders dann, wenn Belohnungen unerwartet eintreffen (Reward Prediction Error). Anfangs empfinden wir dabei Freude (Liking), später bleibt nur noch das Verlangen (Wanting), selbst wenn es keinen Spaß mehr macht. Diese Verschiebung kann zur Gewohnheit werden (Habitualisierung). Das ist genau das, was passiert, wenn du wie automatisch plötzlich auf Instagram landest.
Ab wann ist es eine Social Media Sucht?
Nicht jede intensive Nutzung ist eine Sucht. Laut ICD-11 wird dann von einer Sucht gesprochen, wenn geminderte Kontrolle, Priorisierung und anhaltende Nutzung trotz negativer Folgen auftreten. Dies kann dann als Social Media Nutzungsstörung klassifiziert werden.
Allerdings braucht es kein Suchtlabel, damit die Nutzung von sozialen Medien einem schaden. Studien zeigen ein erhöhtes Risiko für Depressionen, Einsamkeit und Konzentrationsprobleme, vor allem bei Jugendlichen. Auch Erwachsene sind betroffen, etwa durch Social Media als dysfunktionale Stressregulation. Häufig ergibt sich dabei ein Teufelskreis: Man fühlt sich gestresst – lenkt sich mit Social Media ab – es geht einem kurzzeitig besser – auf lange Sicht wird der Stressfaktor jedoch erhöht – man möchte sich noch mehr ablenken und verbringt mehr Zeit auf soziale Medien .
Wie geht man mit Social Media richtig um?
Achtsamkeit im Umgang mit Social Media beginnt mit Selbstbeobachtung. Wann und warum nutze ich diese Apps? Was löst es aus? Hilfreich kann dabei sein: Push-Nachrichten deaktivieren, Nutzungszeiten begrenzen, Bildschirm auf Schwarzweiß stellen, analoge Alternativen pflegen – und bei Kindern und Jugendlichen: klare Regeln als Teil der elterlichen Verantwortung.
Doch der Umgang mit sozialen Media darf nicht am Individuum abgeladen werden . Es ist ein gesellschaftlicher Auftrag mit diesen Systemen umzugehen. Aktuell erinnertes es doch sehr an die damalige Logik im Umgang mit der Tabakindustrie: Schuld wird individualisiert, während systematisch Suchtmechanismen gefördert werden. Die Betreiber (oder damals eben die Tabakindustrie) ziehen sich aus der Verantwortung. Deshalb braucht es politische Rahmenbedingungen, um die Verantwortung vom Individuum zum Betreiber zu verschieben: Transparenzpflichten für Algorithmen, Verbot manipulativer Designs (Dark Patterns), Schutz für Jugendliche und gemeinwohlorientierte Plattformmodelle.
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Quellen für Podcastfolge und -artikel:
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